Montag, 4. April 2011

Wer ist eigentlich paul? von Anette Göttlicher

lesen tue ich eigentlich gerne, gerade leichte kost und man sich noch schön in das buch hineinfühlen kann!
bei "wer ist eigentlich paul?" wars perfekt und ich wurde süchtig. es gibt noch drei weitere teile, die heißen "Sind sie nicht alle ein bisschen paul?","Aus die maus" und "Paul darf das!". ich sah grad das ab 10.juni wohl ein weiterer teil kommt! YES, wie toll und der wird heißen "Mensch, Paul!". schön der sommer ist gerettet. von der story erinnert alles irgendwie ein bisschen an "sex and the city". mädchenthemen halt und marie die ein wenig an carrie erinnert ist unsterblich in paul (aka mr.big) verliebt. sie kommen zusammmen, gehen auseinander, treffen sich, haben eine affaire, sie hat einen neuen usw. anette erzählt es aber in den büchern echt schön und es macht spaß sie zu lesen.
KANN SIE JEDER EMPFEHLEN!!!













Leseprobe aus:
Anette Göttlicher
Wer ist eigentlich Paul?
(S. 5 - 11)
© 2004 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek. Alle Rechte vorbehalten.
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TE I L I TE I L I TE I L I TE I L I TE I L I TE I L I
DONNERSTAG, 8. AUGUST 2002 –
DIE ELEMENTARE FRAGE
Was ist der Sinn des Lebens? Gibt es eine Wiedergeburt? Ist
meine Kreditkartenrechnung schon abgebucht? Nein, das sind
sie nicht, die wirklich wichtigen Fragen. Heute qualifiziert sich
nicht mal: Wo ist bloß das rosa T-Shirt mit dem Dalmatiner
drauf?
An diesem «für die Jahreszeit zu kühlen» Donnerstag stellt sich
mir, Marie, 27, befindlich am Küchentisch, dritter Stock, Zweizimmerwohnung
in München-Neuhausen, nur eine einzige Frage:
Warum, verdammt, meldet sich der Kerl nicht? Es war doch
so ein schöner Abend. Letzten Donnerstag. Hmpf. Ich habe keinen
der Fehler gemacht, die ich sonst gerne begehe. Weder habe
ich ihm nach dem ersten Bier erzählt, dass meine Tochter, die
ich irgendwann haben werde, Franziska heißen soll, noch
schwärmte ich ihm von Brad Pitt vor. Ich habe ihm nicht anvertraut,
dass ich perlsacktierkaufsüchtig bin, und habe «Ich bin
gleich wieder da» gehaucht statt «Ich geh mal pinkeln». Ich
habe verschwiegen, dass ich mir manchmal Kantaten von Bach
anhöre (was stimmt), und nebenbei erwähnt, dass ich jeden Tag
die «Süddeutsche» lese (was nicht ganz stimmt). Ich war brillant.
Ich habe ihm zugehört, ihn angemessen bewundert (was
nicht schwer war, seufz), ihn zum Lachen gebracht und schließlich
sogar dazu, dass er mich lustvoll, zärtlich und sehr, sehr
lange küsste, mitten im belebten Biergarten. Obwohl mir danach
gewesen wäre, habe ich ihn nicht in meine Wohnung verschleppt,
sondern bin vorgegangen wie im «So angle ich mir
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den Traummann»-Ratgeber empfohlen: Ich habe Leidenschaft
gezeigt (was nicht schwer war, seufz) und mich dann am Riemen
gerissen. Ich war perfekt.
Und warum ruft er jetzt nicht an?
Ich werfe den Computer an, surfe zu Google und tippe Rat suchend
ein: «Warum ruft er nicht an?» Hoppla. Treffer. Ich bin
nicht die Einzige. Ich klicke mich durch Foren und stoße immer
wieder auf das gleiche Muster. Frau trifft Mann, es ist schön,
sie ist verknallt, er ruft nicht an. Lösung gibt’s keine. Nicht am
Telefon warten, Anrufbeantworter einschalten und raus ins
Vergnügen, lese ich da. Na ja, da wäre ich auch selbst noch
drauf gekommen … aber nichts ist so einfach im Zeitalter der
Handys. Ehrlich gesagt, warte ich ja nicht mal auf einen Anruf.
Viel schlimmer. Ich warte auf eine SMS. Eine Kurzmitteilung.
Bis zu 160 Buchstaben, die meinen Tag, meine Woche, ach was,
mein Leben! retten könnten. Das Handy (ich beginne es zu hassen)
ist stumm gestellt, damit ich ab und zu draufgucken kann
in der Hoffnung, das erlösende Briefumschlagssymbol zu erblicken.
Warum meldet er sich nicht? Marie, es ist immer so, wie du es
dir am wenigsten vorstellen kannst, sage ich mir. Also. Er ist
verunglückt (Hilfe!). Er hat sich beide Arme gebrochen und
kann deswegen sein Handy nicht bedienen. Sein Handy wurde
gestohlen, ist runtergefallen, auf den Grund der Isar gesunken,
hatte einen Kurzschluss. Er hat aus Versehen sein Telefonbuch
gelöscht. Er musste beruflich spontan in die Serengeti, nach
Grönland oder Thüringen und hat dort kein Netz. Seine Mutter,
Schwester, beste Freundin oder sonst jemand ist tot, schwer
erkrankt oder sonst was. Er hat ein Interview mit Verona Feldbusch
geführt, sich unsterblich in sie verliebt und mich auf der
Stelle vergessen. Er hat ein Interview mit David Beckham ge-
WER IST EIGENTLICH PAUL?
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führt, sich unsterblich in ihn verliebt, ist spontan schwul geworden
und jetzt mit Becks zusammen. Nach einer Stunde ist sogar
meine ausschweifende Phantasie am Ende, die 5-Minuten-Terrine
ein kühler, klebriger Klumpen, und ich bin zutiefst besorgt.
Dann fällt mir die einzige Lösung ein, die ich nicht bedacht
habe. Er meldet sich nicht, weil er keine Lust dazu hat. Hmpf.
Ich sollte mal das rosa T-Shirt mit dem Dalmatiner drauf suchen.
FREITAG, 9. AUGUST 2002 –
DAS NOTFALLPROGRAMM
Heute Morgen erwachte ich nach einem diffusen Traum. Es
spielten ein Hecken-Labyrinth, eine angebissene Käsesemmel
und der Schlosser Bernbacher aus «Pumuckl» eine Rolle darin.
Was will mir das sagen?? Na, egal. Jedenfalls ging mein erster
Blick aus schlafverklebten Augen – natürlich – zum Handy. Und
d-d-da w-w-war es: das Briefumschlagssymbol!!!
Mit zitternden Händen hob ich die Tastensperre auf. Mein Puls
gebärdete sich, als hätte ich gerade einen 800-Meter-Lauf in
zwei Minuten hinter mich gebracht. Allerdings zählen für mich
800 Meter zur Langstrecke, und in zwei Minuten beschleunige
ich höchstens mein Auto von null auf hundert. Mein Daumen
zitterte über der «Lesen»-Taste, während ich das, was folgen
sollte, schon im Geiste vor mir sah. Ein kleines Pfeilchen für die
ungelesene Message und dahinter ein Name. PAUL. Und dann
wurde mir schlecht. Was, wenn da stünde: «Tut mir Leid, Marie,
ich bin noch nicht bereit für eine Beziehung. Du solltest
mich vergessen. Sei mir nicht böse, es hat nichts mit dir zu tun.»
Ein halbes Jahr Hoffen und Bangen, Flirten und Mailen, SMSen
und Warten wäre umsonst gewesen. Aber die Nachricht könnte
ja auch lauten: «Süße, es war wunderschön, und ich vermisse
dich schon. Wann sehen wir uns endlich wieder?»
TEIL I
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Ich holte tief Luft, befahl meinem Gehirn, ein Signal an den
Daumenmuskel zu schicken, und drückte die Taste. Das Display
flackerte kurz und grün auf. Ich fiel auf mein zerwühltes
Bett zurück, als habe einer der Klitschko-Brüder die Schlagkraft
seiner gestreckten Rechten an meinem Magen getestet. Die SMS
kam von Veronika. Von meiner besten Freundin Vroni. Ob wir
heute Abend zusammen auf die Piste gehen wollten. Kann die
nicht anrufen???
Es ist 14 Uhr, und ich sollte seit einer halben Stunde in der
Sprechstunde meiner Professorin sitzen, um die Fortschritte
(was ist das??) meiner Magisterarbeit in Neuerer Deutscher Literatur
mir ihr zu besprechen. Stattdessen hänge ich hier immer
noch im rot karierten Schlafanzug und Filzpantoffeln herum,
meine Frisur (was ist das??) sieht aus, als hätte ich mich der
wieder auferstandenen 80er-Jahre-Punkwelle angeschlossen,
und ich kann Pauls letzte sieben SMS auswendig. So geht das
nicht weiter, Marie, sage ich laut zu mir. Das Notfallprogramm
muss in Kraft treten. Das sieht aus wie folgt:
1. Ich dusche, creme mich mit Shiseido-Lotion für circa zehn
Euro pro Bein ein, föhne meine Haare und lege ein dezentes
Tages-Make-up auf.
2. Ich schalte mein Handy aus. Autsch. Das tut weh.
3. Ich rufe Martin an und verabrede mich mit ihm für später im
Café Reitschule. Soweit ich weiß, hat er immer noch keine
Freundin, weil ihm keine schön, klug, witzig und blond – kurz,
Marie genug ist. Jaaaa, Frauen können grausam sein.
4. Ich rufe Vroni, Beate, Alexa und Marlene an und verplane
mein gesamtes Wochenende. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich
an einem einzigen Sonntag entspannt frühstücken, schwimmen,
die Avantgarde-Ausstellung im Haus der Kunst besichtigen,
lunchen, inline-skaten und abends in den Biergarten gehen soll,
aber darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.
WER IST EIGENTLICH PAUL?
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5. Ich erleichtere den Supermarkt um die Ecke um circa ein Kilo
Pfefferminztaler und drei Schachteln rote Gauloises.
6. Ich fläze mich auf mein Sofa und ziehe mir die letzte Doppelfolge
von «Sex and the City» rein, die ich mir am Dienstag aufgenommen
habe.
Scheint zunächst keine gute Idee zu sein. Carrie verbringt
Wahnsinnsnächte mit Mr. Big. Hmpf. Blase frustriert Rauch
aus. Doch, ha, schon kommt sie, die Krise. Drei Nächte nebeneinander
und ohne Sex, o mein Gott. Würde mir und Paul nicht
passieren. Ach, Paul … Stopp! Und schließlich das Ende. Carrie
fordert eine eindeutige Liebes- und Absichtserklärung von
Mr. Big. Ja, ist die noch zu retten?? Das war’s dann wohl …
«Ich heulte eine Woche lang», sagt Carrie am Schluss in die Kamera.
Ich fang gleich schon mal an, Schwester. Aber vorher treffe ich
Martin und lasse mir mein schwer angeschlagenes Selbstwertgefühl
aufpolieren.
SONNTAG, 11. AUGUST 2002 – EISZEIT
Ich habe nicht viel Zeit. Gerade komme ich vom Frühstück im
Ruffini mit Marlene und bin so gut wie auf dem Weg ins
Schwimmbad mit Beate. Heute mit Sauna, denn draußen regnet
es bei circa 12 Grad … Aber auch bei den Männern ist ganz
offensichtlich die Gefühlseiszeit ausgebrochen! Liegt das daran,
dass die Fußball-WM vorbei ist und der gesamte 2002er Gefühlsvorrat
der Testosterongesteuerten vom Bangen, Hoffen,
Jubeln und Leiden mit unseren Bundes-Kickern aufgebraucht
ist? Ich weiß es nicht. Was ich weiß: Das Treffen mit Martin am
Freitag war ein Reinfall, egotechnisch. Wie kann man nur so
kalt sein! Ich durchleide wegen Paul eine schlimme emotionale
Phase, und was macht Martin, der bisher immer vergeblich für
TEIL I
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mich schwärmte und mich besser erquickte als ein 100-Euro-
Besuch bei der Kosmetikerin inklusive Augenbrauenzupfen? Er
spricht von einer anderen. Was heißt da spricht – er schwärmt.
Mit verklärtem Blick, weicher Stimme und dümmlichem Grinsen.
Ich habe irgendwann gar nichts mehr gesagt und nur tief
getroffen an meinem Caipi genuckelt. Nicht, dass er das bemerkt
hätte. Dieser gefühllose Klotz.
Gestern Abend, Samstag, ging es deprimierend weiter. Ich war
auf einer Party bei «meinen Jungs», einer chaotischen, aber liebenswerten
WG in Schwabing, die schon drei Putzfrauen in den
Wahnsinn getrieben hat. Sie hatten Besuch von einem Mädel
aus der Provinz, die wahrscheinlich eingeschult wurde, als ich
meinen ersten Vollrausch erlebte … Aber hübsch, okay. Das Gebalze
ging los, und die Jungs zogen alle Register. Cocktailmixen,
Bierflaschen-lässig-mit-dem-Feuerzeug-aufschnipsen, Gitarre
spielen, Zigaretten drehen, verärgerte Nachbarn beruhigen,
spanischsprachiges Liedgut zelebrieren und so weiter, die ganze
Palette. Am Ende machte Tom das Rennen. Ich persönlich vermute
den Grund ja darin, dass er in der Küche voller Leute den
strategisch besten Platz hatte, was die räumliche Nähe zu der
Kleinen betraf. Bernd nämlich klemmte zwischen Kühlschrank
und einem betrunkenen Kollegen, der «Möööönsch, geile
Paaady hier» grölte und ihm herzhaft auf die Schulter haute.
Anyway. Ich ging irgendwann, aber ich weiß, wie es enden
wird. Die Kleine wird sich im Kitzinger Jugendzimmer die Augen
aus dem Kopf weinen, während Tom eine Runde joggen
geht und später beim Betrachten der Partyfotos zu Bernd rüberfeixen
und eines von diesen männertypischen Siegeszeichen
machen wird. Nicht, dass Tom kein feiner Kerl wäre. Er ist ein
Freund, und ich schätze ihn sehr. Er hat es, wie so viele seiner
Artgenossen, einfach nur drauf, Spaß ohne Gefühlsrisiko zu
leben.
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Eigentlich beneidenswert. Wäre ich ein Mann, würde ich jetzt
mein Wochenende wirklich genießen und in der Sauna nach
Frischfleisch Ausschau halten, statt sehnsüchtig an Paul zu denken
und mich zum tausendsten Mal zu fragen, warum er sich in
Schweigen hüllt. Oh, apropos Sauna. Ich muss los.
DIENSTAG, 13. AUGUST 2002 –
SMÖRREBRÖD
Wie gerne würde ich von einem Happy End mit Paul berichten.
Doch es gibt leider keines. Er hat sich nämlich nicht gemeldet.
Gestern habe ich in einem Anfall blinder Wut mein Handy an
die Wand geschmissen, sodass ich endlich vorm Warten auf eine
SMS meine Ruhe hatte. Himmlisch.
Eine Stunde später kam ich – zufällig – am Nokia-Shop vorbei,
als ich einen neuen Weg zur U-Bahn ausprobierte. Nicht, dass
ich den entspannenden handylosen Zustand beenden wollte.
Aber man kann sich ja mal informieren!
Mist, wo muss denn da die SIM-Karte rein? Und wie herum?
Ah, okay. Ich habe ein neues Handy! Hurr… äh, ja.
Und es klingelt auch schon! «Hallo?» Niemand. Es klingelt
weiter. Es ist das Festnetz-Telefon.
«Hallooo?»
«Marie, bist du das?»
«Beate, Schatz, wer sonst sollte bitte in meiner Wohnung ans
Telefon gehen?»
«Hat er sich gemeldet?»
«Hast du einen Auftritt?»
Das war gemein. Beate ist Sängerin – eine gute Sängerin, doch
leider besteht ihr Publikum meist aus Duschgel, Zahnbürste
und genervten Nachbarn.